U-Boot soll US-Träger angreifen (2024)

Ein deutsches Unterseeboot steht vor seiner bislang größten Herausforderung: Auf Befehl der Nato sollen sich die Männer von U 32 an einen US-Flugzeugträger heranschleichen, das kampfstärkste Waffensystem der Welt. Gelingt das Manöver, winken deutschen Werften lukrative Großaufträge.

Ein deutsches U-Boot wird an diesem Sonntag zu einem höchst ungewöhnlichen internationalen Manöver vor der US-Ostküste in See stechen. Höhepunkt der vier Monate dauernden Übung namens "Westlant Deployment" werde ein simulierter Kampf zwischen dem deutschen U-Boot U 32 und einem US-Flugzeugträgerverband sein, teilte ein Marinesprecher des 1. U-Bootgeschwaders in Eckernförde mit.

Das Ziel des Einsatzes ist für Korvettenkapitän Christian Moritz und seine 28-köpfige Besatzung alles andere als eine Routineaufgabe: Der 36-jährige Schiffsführer befehligt eines der technisch fortschrittlichsten U-Boote der Welt. Auf Schleichfahrt soll Moritz versuchen, U 32 unter Ausnutzung aller Tricks und Kniffe möglichst so nahe wie möglich an einen Trägerverband der Amerikaner heranzubringen.

Es ist eine heikle Aufgabe: Flugzeugträger sind die mit Abstand größten und teuersten Waffensysteme der USA. Symbolisch stehen sie für die Schlagkraft der mit Abstand weltweit stärksten Seestreitmacht. Gleichzeitig sind sie allerdings aufgrund ihrer Größe und der an Bord gelagerten Vorräte an Treibstoffen und Munition besonders leicht verwundbar. Schon in Friedenszeiten werden sie daher durch umfangreiche Sicherungsmaßnahmen überaus aufmerksam geschützt. Eine ganze Flotille an Begleitschiffen umkreist die Großkampfschiffe. Die U-Boot-Abwehr wird regelmäßig trainiert. Im Fall eines Alarms steigen binnen Minuten Hubschrauber auf und zahllose Ohren horchen den Ozean in allen Himmelsrichtungen nach verdächtigen Sonarsignaturen ab.

Für die simulierte Angriffsfahrt auf den amerikanischen Träger verfügt das deutsche U-Boot jedoch über einen besonderen technischen Vorteil, einen waffentechnischen Trumpf im Uniformärmel.

"Katz und Maus"-Spiel unter Wasser

Denn im Inneren der gut 56 Meter langen und 7 Meter breiten Stahlröhre von U 32 verbirgt sich der modernste Antrieb der U-Boot-Geschichte. Einen Teil seiner Energie bezieht das Unterwasserfahrzeug aus Brennstoffzellen, die Wasserstoff und Sauerstoff in elektrischen Strom umwandeln. Das hat mehrere, für U-Bootfahrer entscheidende Vorteile: Die Energiegewinnung erfolgt absolut geräuschlos und vollkommen abgasfrei. Mit den gängigen Ortungsmethoden ist U 32 damit sowohl bei der Überwasserfahrt als auch unter Wasser nur schwer zu entdecken.

Dazu kommt: Der Antrieb funktioniert unabhängig von der Außenluft, verfügt über einen hohen Wirkungsgrad und erfordert nur einen sehr geringen Wartungsaufwand. Neben dem Gleichstrom fällt bei der Energieumwandlung als einziges Reaktionsprodukt destilliertes Wasser an. Anders als etwa der Kapitän eines atomgetriebenen Unterseeboots, muss sich die deutsche Marine keine Sorgen um einen Reaktor, die Dichtheit seiner Umhüllung oder die Entsorgung verbrauchter Brennstäbe machen. U 32 besitzt einen "auf der Welt einmaligen Hybridantrieb", wie es bei der deutschen Marine heißt. "Entworfen wurde dieses System mit der Absicht, U-Booteinsätze über mehrere Wochen hindurch im dauergetauchten Zustand und weitgehend unabhängig von Außenluftzufuhr zu ermöglichen."

Die Hybrid-Anlage setzt sich aus einem Dieselgenerator, einer Fahrbatterie, einer Brennstoffzellenanlage und dem Fahrmotor zusammen. Treibstoff für den Brennstoffzellen-Antrieb steht auf hoher See theoretisch in Hülle und Fülle zur Verfügung - Wasserstoff und Sauerstoff lassen sich durch Elektrolyse auch aus Meerwasser gewinnen. Diesel bekommt der Kommandant zur Not in jedem größeren Jachthafen.

Simulierte Torpedoattacke

Die emissionsfreie U-Bootfahrt entspringt dabei nicht etwa dem Gedanken der Nachhaltigkeit und des Klimaschutzes. Militärisch bedeutsam wird die Brennstoffzellentechnologie durch das hohe Maß an Autonomie und Beweglichkeit, die sie einem damit ausgestatteten Fahrzeug ermöglicht. In der Einsatzplanung der Marinestrategen sollen U-Boote verdeckt und oft fernab ihrer Versorgungshäfen operieren. Ein effizientes, abgasfreies und lautloses Antriebssystem macht die deutsche U-Boot-Klasse "212 A" - zu der U 32 gehört -, damit nach Ansicht von Schifffahrtsexperten zu den derzeit besten konventionell angetriebenen U-Booten der Welt.

Zusätzlich an Bord befindet sich neben den Brennstoffzellen noch ein schweres Dieselaggregat, mit dem das Boot bei Überwasserfahrt auf eine Reisegeschwindigkeit von etwa 12 Knoten (etwa 22 km/h) kommt. Unter Wasser kommt U 32 sogar auf volle 20 Knoten. Für die Überfahrt von Eckernförde nach Ponta Delgada auf den Azoren bis ins Einsatzgebiet vor der US-Küste veranschlagt die Bundeswehr sicherheitshalber etwa 20 Tage.

Bis der Salat zur Neige geht

Limitiert werden die Einsatzzeiten von U 32 auf hoher See dabei eigentlich nur durch die menschliche Komponente und den Vorrat an Diesel und Lebensmitteln: Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers zwingt die Bundesmarine dazu, die Seeleute nach der Hälfte der Reise auszutauschen. "Um die Belastung für die U-Bootbesatzung zu minimieren, wird nach etwa der Hälfte des Übungszeitraumes die Besatzung ausgewechselt", erklärte ein Marinesprecher. Den Rest des Manövers fährt U 32 dann unter der Führung des 34-jährigen Korvettenkapitäns Christian Michalski. Ein Versorgungsschiff, der Tender "Main" unter dem Kommando von Korvettenkapitän Carsten Egerland, wird das deutsche U-Boot über den Atlantik begleiten.

Es ist das erste Mal, dass ein U-Boot der Klasse 212 A an einem solchen Manöver teilnimmt. Für die US-Navy und alle beobachtenden Marineexperten stellt die Übung mit den deutschen Marineeinheiten weitaus mehr dar als nur militärischer Zeitvertreib. Offiziell dient das mehrmonatige Manöver vor allem der Abstimmung von Befehlsketten und taktischen Bewegungen innerhalb kombinierter Seestreitkräfte der Nato. Inoffiziell jedoch dürften hinter der Bitte nach einer Beteiligung der Klasse 212 A jedoch noch ganz andere Überlegungen stehen.

"Niedrige Verratswahrscheinlichkeit"

Offensichtlich ist die US Navy darauf aus, die Verteidigungskapazitäten ihrer Trägerkampfverbände an den Fähigkeiten des derzeit gefährlichsten Unterwasserschiffs der Welt zu messen. Jeder einzelne ihrer elf großen Flugzeugträger steht für einen gewaltigen militärischen, außenpolitischen und auch ökonomischen Wert, den es unter allen Umständen zu schützen gilt: Den US-amerikanischen Steuerzahler kostet ein Neubau mittlerweile knapp 5 Mrd. Dollar - die laufenden Kosten für Betrieb, Personal, Ausstattung, Verschleiß und Wartung nicht eingerechnet.

Sollte der simulierte Angriff der Deutschen gelingen und U 32 unter Korvettenkaptän Moritz oder Korvettenkapitän Michalski tatsächlich in die inneren Verteidigungsringe bis auf Torpedodistanz vordringen, wäre das nicht nur ein Triumph ihrer seemännischen Fertigkeiten, sondern gleichzeitig auch ein durchschlagender Erfolg für die deutsche Rüstungsindustrie. Denn entwickelt und gebaut werden die Boote der Klasse 212 A bei der ThyssenKrupp-Tochter Howaldtswerke-Deutsche Werft (HDW) in Kiel. Einen Teil der Elektronik steuert Siemens bei.

Zwei Decks und ein "Optronikmast"

"Die U-Boote der Klasse 212A zeichnen sich durch ihre Fähigkeit aus, tief getaucht fernab jeder Küste oder aber in extrem flachen Gewässern zu operieren", lobt der Hersteller HDW die Eigenschaften der Boote. Im Vergleich mit anderen U-Booten zeichnet sich die Klasse demnach durch ihre "große Nutzlast im Bereich der Sensoren, Kommunikationseinrichtungen, Waffenleitsysteme und Bewaffnung" aus.

Dank der "amagnetischen Bauweise" und den "akustisch optimierten Geräten" sei die Entdeckung eines solchen U-Boots "fast unmöglich". Die "niedrige Verratswahrscheinlichkeit" sei dabei vor allem der "Hybrid-Antriebsanlage", also Brennstoffzelle plus Dieselaggregat, zu verdanken. Weil viele Funktionen automatisch ablaufen, lässt sich das Boot auch mit vergleichsweise wenigen Seeleuten steuern.

Unter der Außenhaut von U 32 verbergen sich weitere Neuerungen, darunter ein "Flank Array Sonar", ein Schleppsonar und ein "integriertes Waffeneinsatzsystem". Der sogenannte "Optronikmast" ersetzt das klassische Sehrohr. Beim Blick durch das Periskop bleibt der Kommandant in der Operationszentrale dabei auch in der schlimmsten Manöverhektik weitgehend ungestört: Auf dem Weg zu ihren Kampfstationen können die Spezialisten von U 32 durch das Unterdeck hasten.

Letztendlich geht es bei dem Einsatz im Atlantik auch um sehr viel Geld und Arbeitsplätze: Wenn es Moritz und Michalski gelingt, den Kapitän des Flugzeugträgers zu überlisten und damit die US Navy von der Praxistauglichkeit der deutschen U-Boot-Technik zu überzeugen, dann könnten den Werften schon bald neue, überaus lukrative Großaufträge aus Übersee ins Haus stehen.

Bis dahin bleibt allerdings noch reichlich Zeit: Die Rückkehr von U 32 und des Tenders Main ist für Ende August geplant. Bis zu einer glücklichen Heimkehr müssen der Tender und das U-Boot noch eine Reise von rund 15.000 Seemeilen, das sind fast 28.000 Kilometer, überstehen.

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