Glückliche Rückkehr: Deutsches Rekord-U-Boot wieder im Heimathafen - WELT (2024)

Das Ende einer Dienstfahrt: Das deutsche U-Boot U32 ist nach einem Tauchrekord und Manövern an der US-Küste wieder zurück in Eckernförde. Trotz der Erfolge plagen auch die Marine Nachwuchssorgen.

Im Schlepptau von zwei Marine-Schleppern gleitet U32 in der Dunkelheit durch die Schleuse des Nord-Ostsee-Kanals. Von Kiel-Holtenau geht es über die Ostsee nach Eckernförde, die letzte Nacht einer mehr als sechs Monate dauernden Dienstfahrt des deutschen U-Bootes beginnt. Unter funkelndem Sternenhimmel erzählt Kommandant Christian Michalski (34) auf dem Turm des U-Bootes von kniffeligen Manövern mit einem Flugzeugträgerverband an der US-Ostküste, aber auch von Kameradschaft, Entbehrungen und der Vorfreude auf das Wiedersehen der Angehörigen.

In der Kommando-Zentrale des U-Bootes und auf dem Turm herrscht nachts beim Ablegen in der Schleusenkammer angespannte Konzentration – bis die freie Ostsee erreicht ist. „In der Schleuse ist das U-Boot fast so schwer zu manövrieren wie ein nasser Sack“, erklärt Michalski, „deshalb lassen wir uns hier aus Sicherheit von den Schleppern ziehen“.

Tauchrekord dank Brennstoffzellen-Antrieb

Am 10. Februar legte U32 in Eckernförde ab. Als erstes deutsches U-Boot der Klasse 212A querte es den Atlantik – und schaffte dabei noch einen Tauchrekord: 18 Tage unter Wasser, solange wie kein anderes konventionelles U-Boot. „Der Brennstoffzellen-Antrieb ermöglicht solch langes Tauchen“, sagt Michalski. Den Rekord schaffte Kommandant Christian Moritz mit seiner Besatzung „Delta“, zur Halbzeit flogen Michalski und Besatzung „Bravo“ in die USA, lösten die Crew ab. „Für die Raucher soll die Tauchfahrt am schlimmsten gewesen sein...“, schmunzelt Michalski.

Ein Höhepunkt der monatelangen Manöver mit der US-Marine war ein ungewöhnliches Szenario. U32 sollte in einer flachen Meerenge verdeckte Aufklärung leisten, damit der Flugzeugträger „Harry S. Truman“ dann gefahrlos die Passage wagen konnte. „Die Amerikaner haben hohen Respekt gezeigt vor der Leistungsfähigkeit der deutschen U-Boote und dem exzellenten Ausbildungsstand der Besatzungen“, sagt Michalski. Besonders beeindruckt habe die amerikanischen Partner der problemlose Wechsel von zwei Besatzungen innerhalb weniger Tage.

Das ermöglicht das Konzept der Deutschen Marine. Sie hat nur vier U-Boote, im nächsten Jahr sollen zwei weitere in Dienst gestellt werden. Für die dann sechs Boote – mehr sind nicht vorgesehen – soll es insgesamt bis zu acht Besatzungen mit je 28 Mitgliedern geben. Sie sind keinem Boot fest zugeordnet, sondern rotieren, wie es gerade notwendig ist. Michalski hat mit seiner Besatzung schon drei U-Boote gefahren.

Nachwuchssorgen - Wenig Verständnis für Desinteresse

Die Ressourcen sind knapp. „Auch die Marine und damit auch unser einziges U-Bootgeschwader haben Nachwuchsprobleme wie die gesamte Bundeswehr“, sagt Michalski. Oberleutnant Björn Frye (37), seit 20 Jahren bei der Marine, hat den letzten Teil der Dienstfahrt von den Azoren bis Eckernförde in der Funktion eines fehlenden Unteroffiziers gemacht. Es fehlt vor allem an Schiffstechnikern, die in der Industrie auch gute Chancen haben. Frye sattelt gerade um, der Elektronik-Offizier will zunächst Antriebsoffizier und dann Schiffstechnischer Offizier werden – ein persönlicher Aufstieg.

Die Abschaffung der Wehrpflicht hält Frye für einen Fehler: „Ein Jahr sollte jeder für die Gesellschaft dienen, ob bei der Bundeswehr oder für soziale Dienste – das ist meine persönliche Meinung.“ Dies würde auch die soziale Kompetenz jedes Einzelnen stärken und freiwilligen Feuerwehren oder dem Technischen Hilfswerk nutzen. „Denn da melden sich auch immer weniger.“ Verständnislos schüttelt er den Kopf, wenn bei zunächst neugierigen Jugendlichen oft jedes Interesse an U-Booten erlischt, wenn sie hören, dass man kein Internet an Bord hat und auch kein Handy nutzen kann.

Für Maat Tim Hansen (20) ist es die erste große Seefahrt und Reise überhaupt gewesen („Ich bin hier das Küken“). Was sind die größten Vorteile der U-Bootfahrerei? „Das Miteinander, die Kameradschaft“, nennt Hansen beim Sonnenaufgang in Pastellfarben kurz nach 6.00 Uhr auf dem Turm; er hat Dienst als Ausguck.

Und Nachteile? „Dass man keinen Kontakt hat nach Hause, immer Leute im Boot um einen sind und man praktisch nie allein ist.“Und was denkt er über die Manöver? „Man übt natürlich auch für den Ernstfall, das muss man im Hinterkopf haben.“ Der gebürtige Kieler hat sich für acht Jahre verpflichtet.

Erste Frau besteht Ausbildung zum Wachoffizier

Neben ihm auf dem Turm steht der Erste Wachoffizier, Christopher Dekrell (30). In seiner Heimat Stuttgart haben sie sich gewundert, warum er für zwölf Jahre zur Marine ging („Du mit Deinem U-Boot, wärst doch besser Lackierer beim Daimler geworden“). „Ich wollte die Welt kennenlernen, ein bisschen Abenteuerlust war auch dabei“, sagt Dekrell. Wehmut klingt mit, im Juli 2014 verlässt er die Bundeswehr, will mit seiner Partnerin in Stuttgart gemeinsam leben.

Frauen sind unter den rund 200 aktiven U-Bootfahrern noch selten. „Etwa eine Hand voll“, sagt Michalski. Bei den Ausbildungsphasen vor der US-Ostküste hat erstmals eine Soldatin die Ausbildung zum Wachoffizier bestanden – die Voraussetzung, um Kommandant zu werden. „Ich kann mir durchaus vorstellen, dass eine Frau ein U-Boot in der Zukunft leitet“, sagt Michalski.

Die Nacht im Boot ist leise. Die Motoren sind praktisch nicht zu hören, Vollmond spiegelt sich in der wie angestrahlten Ostsee. Da und dort Schnarchgeräusche aus den zwei Meter langen und 60 Zentimeter breiten Kojen, die Klimaanlage sorgt für erstaunlich frische, kühle Luft.

Punkt 5.00 Uhr wird fast wortlos Frühstück gedeckt, aufbacken nennen sie das an Bord. Kaffee, Wurst, Käse, Marmelade, Nutella kommt auf den Tisch. Kaffeegeruch und der Duft warmer Brötchen kribbeln in der Nase. Später wird gepackt. Im Gang stapeln sich Taschen, Koffer, Seesäcke. Jeder freut sich auf seine Angehörigen, manche demonstrieren professionelle Gelassenheit – bis Punkt 12.00 Uhr. Dann legt U32 auf die Minute pünktlich an der Pier im Marinestützpunkt Eckernförde an und die Angehörigen fallen sich in die Arme.

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