EuG, 25.01.2023 - T-163/21 - dejure.org (2024)

Auszug aus EuG, 25.01.2023 - T-163/21

Die Verbreitung der streitigen Dokumente erfolgte daher im Hinblick auf die vom Kläger mit seinem Antrag auf Zugang zu diesen Dokumenten verfolgten Ziele, die Gesellschaft zu informieren und eine Diskussion auszulösen, nicht rechtzeitig im Sinne der oben in Rn. 13 angeführten Rechtsprechung (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteile vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat, C-39/05 P und C-52/05 P, EU:C:2008:374, Rn. 59, und vom 22. März 2018, De Capitani/Parlament, T-540/15, EU:T:2018:167, Rn. 33).

Zwar war das Gesetzgebungsverfahren zu diesem Zeitpunkt noch nicht formell abgeschlossen, allerdings werden die im Rahmen der Triloge erzielten Einigungen in der Folge in den meisten Fällen ohne wesentliche Änderungen von den Mitgesetzgebern angenommen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. März 2018, De Capitani/Parlament, T-540/15, EU:T:2018:167, Rn. 72).

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass das Primärrecht der Union einen grundsätzlichen engen Zusammenhang zwischen den Gesetzgebungsverfahren und den Grundsätzen der Offenheit und Transparenz herstellt (Urteil vom 22. März 2018, De Capitani/Parlament, T-540/15, EU:T:2018:167, Rn. 77).

Die Grundsätze der Offenheit und der Transparenz sind somit den Gesetzgebungsverfahren der Union inhärent (Urteil vom 22. März 2018, De Capitani/Parlament, T-540/15, EU:T:2018:167, Rn. 81).

Das Unionsgericht hat bereits klargestellt, dass es den Unionsorganen freisteht, auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 den Zugang zu bestimmten Dokumenten legislativer Art in hinreichend begründeten Fällen zu verweigern (Urteil vom 22. März 2018, De Capitani/Parlament, T-540/15, EU:T:2018:167, Rn. 112).

Deshalb soll die Verordnung Nr. 1049/2001, wie sich aus ihrem vierten Erwägungsgrund und ihrem Art. 1 ergibt, der Öffentlichkeit ein größtmögliches Zugangsrecht gewähren (vgl. Urteil vom 22. März 2018, De Capitani/Parlament, T-540/15, EU:T:2018:167, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Insbesondere sieht die Verordnung Nr. 1049/2001 im Einklang mit ihrem elften Erwägungsgrund in Art. 4 eine Regelung über Ausnahmen vor, wonach die Organe den Zugang zu einem Dokument verweigern können, falls durch dessen Verbreitung eines der durch diesen Artikel geschützten Interessen beeinträchtigt würde (vgl. Urteil vom 22. März 2018, De Capitani/Parlament, T-540/15, EU:T:2018:167, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Da solche Ausnahmen vom Grundsatz des größtmöglichen Zugangs der Öffentlichkeit zu Dokumenten abweichen, sind sie eng auszulegen und strikt anzuwenden (vgl. Urteil vom 22. März 2018, De Capitani/Parlament, T-540/15, EU:T:2018:167, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Beschließt ein Organ, eine Einrichtung oder eine sonstige Stelle der Union, bei dem oder der ein Zugang zu einem Dokument beantragt wurde, diesen Antrag auf der Grundlage einer der Ausnahmen nach Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 abzulehnen, muss es grundsätzlich erläutern, inwiefern der Zugang zu diesem Dokument das Interesse, das durch diese Ausnahme geschützt wird, konkret und tatsächlich beeinträchtigen könnte, wobei die Gefahr einer solchen Beeinträchtigung bei vernünftiger Betrachtung absehbar sein muss und nicht rein hypothetisch sein darf (Urteile vom 4. September 2018, ClientEarth/Kommission, C-57/16 P, EU:C:2018:660, Rn. 51, und vom 22. März 2018, De Capitani/Parlament, T-540/15, EU:T:2018:167, Rn. 63 bis 65).

Obwohl der Inhalt der streitigen Dokumente Angelegenheiten von gewisser Bedeutung betrifft, die sicherlich durch sowohl politische als auch rechtliche Schwierigkeiten gekennzeichnet sind, ist dem angefochtenen Beschluss nicht zu entnehmen, dass der Inhalt der streitigen Dokumente in dem Sinne besonders sensibel war, dass im Fall einer Verbreitung ein grundlegendes Interesse der Union oder der Mitgliedstaaten verletzt worden wäre (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. März 2018, De Capitani/Parlament, T-540/15, EU:T:2018:167, Rn. 97 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Im vorliegenden Fall lässt daher weder der Umstand, dass die laufenden Erörterungen vorläufig waren, noch die Tatsache, dass Einigkeit oder ein Kompromiss über diese Vorschläge im Rat noch nicht erzielt worden war, die Annahme einer ernstlichen Beeinträchtigung des Entscheidungsprozesses zu (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. März 2011, Access Info Europe/Rat, T-233/09, EU:T:2011:105, Rn. 75 und 76, sowie vom 22. März 2018, De Capitani/Parlament, T-540/15, EU:T:2018:167, Rn. 100).

Gerade deshalb ist sich eine Person, die einen Antrag auf Zugang zu legislativen Dokumenten im Rahmen eines laufenden Verfahrens stellt, des vorläufigen Charakters dieser Informationen und des Umstands, dass sie dazu bestimmt sind, im Lauf der Erörterungen im Rahmen der Vorarbeiten der Arbeitsgruppe des Rates bis zur Erzielung einer Einigung über den gesamten Text geändert zu werden, vollkommen bewusst (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. März 2018, De Capitani/Parlament, T-540/15, EU:T:2018:167, Rn. 102 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Da außerdem die Mitgliedstaaten im Rahmen der Arbeitsgruppen des Rates ihre jeweilige Ansicht zu einem bestimmten Gesetzgebungsvorschlag und die von ihnen mitgetragenen Änderungen äußern, ist der Umstand, dass diese Gesichtspunkte anschließend auf einen Antrag hin offengelegt werden, für sich allein nicht geeignet, die loyale Zusammenarbeit zu behindern, zu der die Mitgliedstaaten und die Organe gemäß Art. 4 Abs. 3 EUV gegenseitig verpflichtet sind (vgl. entsprechend Urteil vom 22. März 2018, De Capitani/Parlament, T-540/15, EU:T:2018:167, Rn. 103 und 104).

Daher ist die Manifestation der öffentlichen Meinung zu diesem oder jenem Gesetzgebungsvorschlag Bestandteil der Ausübung der demokratischen Rechte der Unionsbürger (Urteil vom 22. März 2018, De Capitani/Parlament, T-540/15, EU:T:2018:167, Rn. 98).

Daher lassen die dem Gericht zur Verfügung stehenden Akten nicht den Schluss zu, dass der Rat, was das Gesetzgebungsverfahren anbelangt, bei verständiger Betrachtung eine Reaktion zu befürchten hätte, die über das hinausginge, was ein beliebiges Mitglied eines Gesetzgebungsorgans, das einen Abänderungsvorschlag zu einem Gesetzesentwurf vorlegt, von der Öffentlichkeit erwarten kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. März 2011, Access Info Europe/Rat, T-233/09, EU:T:2011:105, Rn. 74, und vom 22. März 2018, De Capitani/Parlament, T-540/15, EU:T:2018:167, Rn. 99).

Ferner fügt der Rat in seinen beim Gericht eingereichten Schriftsätzen hinzu, dass die im Rahmen von Trilogen erstellten Dokumente, die Gegenstand des Urteils vom 22. März 2018, De Capitani/Parlament (T-540/15, EU:T:2018:167), gewesen seien, von den streitigen Dokumenten zu unterscheiden seien.

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